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Im Fall der Fälle: Was bedeutet Arbeitnehmerhaftung?

Als Arbeitnehmer sind Sie verpflichtet, bei der Ausführung ihrer betrieblichen Aufgaben die notwendige Sorgfalt walten zu lassen.

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Sie sind für Ihre Handlungen verantwortlich und können im Schadensfall entsprechend zur Rechenschaft gezogen werden.

Wann genau das der Fall ist und welche rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten sind, klären wir in diesem Artikel.

Sie können schnell von Schadensersatzansprüchen betroffen sein – deshalb informieren Sie sich rechtzeitig.

Übersicht:

  1. Arbeitnehmerhaftung - Was ist darunter zu verstehen?
  2. Die Besonderheit der privilegierten Arbeitnehmerhaftung
  3. Die Grenzen der Arbeitnehmerhaftung - Wann haftet der Arbeitnehmer in welcher Höhe
  4. Schädigung einer dritten Person - Ihre Haftung als Arbeitnehmer
  5. Das sollten Sie im Schadensfall tun
  6. Fazit
  7. FAQ's

1.  Arbeitnehmerhaftung - Was ist darunter zu verstehen?

Als Arbeitnehmer haften Sie für Schäden oder Verluste, die Ihrem Arbeitgeber, Kunden oder dritten Personen durch Ihre Handlungen entstehen. Das betrifft sowohl Schäden im Rahmen betrieblich veranlasster Tätigkeiten als auch Schäden, die Sie den genannten Personengruppen durch deliktische Handlungen zugefügt haben.

Dazu müssen Sie wissen: Auf Ihr Arbeitsverhältnis finden grundsätzlich die Regelungen des Arbeitsrechts Anwendung. Da das Arbeitsrecht juristisch dem Zivilrecht zuzuordnen ist, gelten die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), einschließlich des dort verankerten Haftungsrechts.

Achtung: Sie hätten also als Arbeitnehmer nach § 276 BGB im Rahmen betrieblich veranlasster Tätigkeiten für Vorsatz und jede Form der Fahrlässigkeit zu haften.

Nun wissen Sie selbst, wie schnell es bei der Erbringung der Arbeitsleistung zu Schäden kommen kann. Diese müssen gar nicht beabsichtigt sein. Selbst bei größter Sorgfalt können Sach-, Personen- oder Vermögensschäden gegenüber Ihrem Arbeitgeber, Kollegen, Kunden oder sonstigen Dritten auftreten. Stellen Sie sich vor, Sie müssten unabhängig vom Grad des Verschuldens, also egal ob es sich um leichte, mittlere oder grobe Fahrlässigkeit handelt, für den Schaden in voller Höhe haften. Könnten Sie das im Schadensfall leisten?

Um dieses Risiko abzumildern, unterliegt Ihr Arbeitsverhältnis besonderen Regelungen – den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung.

2. Die Besonderheit der privilegierten Arbeitnehmerhaftung

Da Arbeitsverhältnisse auf Dauer angelegt sind, kann die Fehlerquote im Vergleich zum Privatleben ungleich höher sein und selbst bei größter Sorgfalt wird es vermutlich auf absehbare Zeit zu Schadensfällen kommen. Immer wieder gibt es Fälle menschlichen Augenblickversagens. Zudem könnten Sie als Arbeitnehmer schnell aufgrund der finanziellen Höhe der auszugleichenden Schäden überfordert werden, wenn Sie nicht sogar in den finanziellen Ruin gelangen.

Der Gesetzgeber hat dem Rechnung getragen und folgende Besonderheit findet auf Ihre Stellung als Arbeitnehmer Anwendung: Der innerbetriebliche Schadensausgleich bzw. die privilegierte Arbeitnehmerhaftung.

Die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung lauten:

  • Sie ist auf Schäden beschränkt, die während der Arbeitszeit erfolgen.
  • Der Arbeitnehmer wurde mittels arbeitsrechtlicher Weisung, also einer betrieblich veranlassten Aufgabe oder Weisung, in die Lage versetzt, den Schaden verursachen zu können und
  • Es erfolgt eine Differenzierung der Haftung nach den drei Verschuldungsgraden: leichte Fahrlässigkeit, mittlere Fahrlässigkeit und grobe Fahrlässigkeit.
Anwalt Arbeitsrecht München

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3. Die Grenzen der Arbeitnehmerhaftung - Wann haftet der Arbeitnehmer in welcher Höhe?

Um zu bestimmen, in welchem Maße Sie als Arbeitnehmer haften, muss Ihr Verschuldungsgrad bei Schadensentstehung berücksichtigt werden. Es wird unterschieden in:

Vorsatz und grob fahrlässiges Verhalten = Der Arbeitnehmer haftet voll und uneingeschränkt

Vorsatz setzt voraus, dass der Schaden absichtlich und wissentlich herbeigeführt wurde.

Grobe Fahrlässigkeit bedeutet, dass Sie als Arbeitnehmer die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ in schwerem Maße verletzt haben. Das heißt, wenn Sie beispielsweise gängige und eindeutige Verhaltensregeln verletzt haben.

Praxisbeispiele:

  • Überfahren einer roten Ampel
  • Rückwärtsfahrt ohne Fahrwegprüfung
  • Alkohol am Steuer
  • Telefonieren im Auto ohne Freisprechanlage

Besonderheit: Sollte das Missverhältnis zwischen Schadenshöhe und Arbeitsverdienst zu hoch sein oder wurde die notwendige Vorsorge durch den Arbeitgeber versäumt (bspw. fehlende Versicherung) prüfen die Gerichte, inwieweit der Schadensausgleich auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber verteilt wird.

Im Regelfall trägt der Arbeitnehmer den Schaden bei grober Fahrlässigkeit nur bis zu einem Höchstbetrag von drei Brutto Monatsgehältern.

Mittlere Fahrlässigkeit = Die Haftung wird zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geteilt

Unter mittlerer Fahrlässigkeit ist zu verstehen, dass die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ außer Außer gelassen wurde und nicht erkennbar ist, dass es sich um ein grob fahrlässiges oder leichtes Vorgehen handelt.

Nur im Bereich der mittleren Fahrlässigkeit kommt es zu einer Aufteilung des entstandenen Schadens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Aufteilen bedeutet jedoch nicht automatisch die Halbierung des Schadens. Stattdessen wird unter Berücksichtigung der Umstände jeder Einzelfall bewertet und eine entsprechende Haftungsquote ermittelt.

Das bedeutet:

Besitzen Sie als Arbeitnehmer beispielsweise ein arbeitstypisch höheres Haftungsrisiko, sinkt die Haftungsquote entsprechend!

Hinzugezogen wird außerdem das Entgelt des Arbeitnehmers, inwieweit der Arbeitgeber das entsprechende Risiko hätte versichern können, die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers sowie sein betrieblicher Werdegang.

Praxisbeispiele:

  • Vergessene Betätigung der Handbremse beim Abstellen eines LKW
  • Vergessene Reisedokumente einer Flugbegleiterin

Leichte Fahrlässigkeit = Der Arbeitnehmer haftet nicht

Sofern dem Schaden geringfügige oder leichte Pflichtwidrigkeiten, die jedem Arbeitnehmer widerfahren können, zu Grunde liegen, haftet ein Arbeitnehmer nicht.

Praxisbeispiele:

  • geringfügige Sorgfaltsverstöße wie versehentliches Fallenlassen von zerbrechlichen Gegenständen

4.  Schädigung einer dritten Person - Ihre Haftung als Arbeitnehmer

Sofern eine dritte Person geschädigt wurde, ist zwischen Sach- und Vermögensschäden sowie Personenschäden zu unterscheiden.

Bei Letzteren greift die sogenannte „Haftungsablösung durch Versicherung“. D.h. Sie haften als Arbeitnehmer nicht, wenn Sie für den Personenschaden eines Kollegen verantwortlich sind. Vorausgesetzt, dass keine grob fahrlässige oder vorsätzliche Handlung zugrunde liegt, tritt die gesetzliche Unfallversicherung in die Regulierung des Schadens ein.

Sollten während der betrieblichen Tätigkeit Sach- und Vermögensschäden bei Dritten entstanden sein, besitzt der Arbeitnehmer einen sogenannten Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber.

Das heißt, der Geschädigte macht seinen Ersatzanspruch gegenüber dem Schädiger, in diesem Fall dem verursachenden Arbeitnehmer, geltend. Da der Schaden jedoch im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitnehmers entstanden ist, kann dieser von seinem Freistellungsanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber Gebrauch machen.

In welcher Größenordnung der Freistellungsanspruch geltend gemacht werden kann, richtet sich ebenfalls nach den unter 3. genannten Grundsätzen zum innerbetrieblichen Schadensausgleich. Also nach der Gewichtung zwischen grober, mittlerer und leichter Fahrlässigkeit

Geschäftsführehaftung

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5.  Das sollten Sie im Schadensfall tun

Sofern es sich nicht eindeutig um leichte Fahrlässigkeit handelt, also Schädigungen, die im betrieblichen Alltag gängig sind, raten wir Ihnen dazu, einen Anwalt für Arbeitsrecht zu kontaktieren. Unter Umständen ist mit hohen Schadensersatzforderungen zu rechnen. Um diese zu umgehen, sind die Umstände des Einzelfalls sorgfältig und zeitnah zu prüfen und zu bewerten. Darin kann Sie ein Anwalt für Arbeitsrecht unterstützen.

Wie würden Sie beispielsweise folgenden Fall bewerten:

Ein Arbeitnehmer wird an der Ampel stehend durch das Hupen eines anderen Verkehrsteilnehmers aufgeschreckt und befährt die Fahrspur ohne grünes Ampelsignal. Er verursacht dabei einen Verkehrsunfall.

In diesem Fall entschied das LAG Hessen im Oktober 2008 auf leicht fahrlässiges Verschulden, da das Hupen und Anfahren anderer Verkehrsteilnehmer oftmals zu innerem Druck, Unruhe und eingeschränkter Wahrnehmungsfähigkeit und überhasteten Reaktionen führen kann. Der Mitarbeiter war in der Folge gegenüber der Versicherung als Geschädigter nicht schadensersatzpflichtig, da ihn kein grob fahrlässiges Verschulden traf.

Sie sehen, die Bewertung des Einzelfalles benötigt Fachkenntnisse. Lassen Sie sich beraten!

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Lassen Sie sich von einem Anwalt für Arbeitsrecht beraten und besprechen Sie Ihre Handlungsoptionen.

6.  Fazit

  • Arbeitnehmerhaftung umfasst die Verantwortung des Arbeitnehmers für Schäden die dem Arbeitgeber, Kunden oder Dritten durch betrieblich veranlasste Tätigkeiten entstehen, zu haften
  • Privilegierte Arbeitnehmerhaftung bedeutet, der Gesetzgeber berücksichtigt die besondere Position des Arbeitnehmers und ermöglicht einen innerbetrieblichen Schadensausgleich, um den Arbeitnehmer nicht übermäßig zu belasten
  • Haftungsgrenzen je nach Verschuldungsgrad: Die Haftung variiert je nach Schwere des Verschuldens
  • Bei Vorsatz haftet der Arbeitnehmer vollständig, bei grober Fahrlässigkeit ist die Haftung im Regelfall auf drei Bruttomonatsgehälter begrenzt
  • Bei mittlerer Fahrlässigkeit erfolgt eine Haftungsaufteilung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
  • Haftung bei Sach- und Vermögensschäden Dritter: der Arbeitnehmer kann einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen
  • Personenschäden Dritter: Die gesetzliche Unfallversicherung kann Personenschäden abdecken
  • Vorgehen im Schadensfall: Ratschlag, einen Anwalt für Arbeitsrecht konsultieren, um Rechte und Pflichten angemessen zu klären und mögliche Schadensersatzforderungen zu vermeiden
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7. FAQ's

Was versteht man unter Arbeitnehmerhaftung?

Arbeitnehmerhaftung bezeichnet die rechtliche Verantwortung von Arbeitnehmern für Schäden, die während ihrer beruflichen Tätigkeit entstehen. Dies umfasst die Pflicht, die erforderliche Sorgfalt bei der Ausführung von Aufgaben walten zu lassen und für verursachte Schäden zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Wie unterscheidet sich die privilegierte Arbeitnehmerhaftung von der regulären Haftung?

Die privilegierte Arbeitnehmerhaftung berücksichtigt die besondere Position des Arbeitnehmers und ermöglicht einen innerbetrieblichen Schadensausgleich, um den Arbeitnehmer nicht übermäßig zu belasten. Das bedeutet, dass eine Haftungsaufteilung je nach Verschuldungsgrad erfolgt.

Welche Grenzen gibt es für die Haftung von Arbeitnehmern?

Die Haftung variiert je nach Schwere des Verschuldens. Bei Vorsatz haftet der Arbeitnehmer vollständig, bei grober Fahrlässigkeit im Regelfall mit bis zu drei Brutto Monatsgehältern während bei mittlerer Fahrlässigkeit eine Haftungsaufteilung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber erfolgt. Leichte Fahrlässigkeit führt in der Regel nicht zu einer Arbeitnehmerhaftung.

Wie werden Schäden Dritter behandelt?

Im Falle von Schäden, die dritte Personen erleiden, wie Sach- und Vermögensschäden, kann der Arbeitnehmer einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen. Die gesetzliche Unfallversicherung kann Personenschäden abdecken.

Welche Maßnahmen sollte ein Arbeitnehmer im Schadensfall ergreifen?

Im Schadensfall wird empfohlen, einen Anwalt für Arbeitsrecht zu konsultieren, um die Rechte und Pflichten angemessen zu klären und mögliche Schadensersatzforderungen zu vermeiden. Es ist wichtig, die Umstände des Einzelfalls sorgfältig zu prüfen und zu bewerten, da die Haftung je nach Verschuldungsgrad unterschiedlich ausfallen kann.

Bildquellennachweis: © AndreyPopov | Canva.com

Christian Peters
Rechtsanwalt Christian Peters verfügt über eine mehr als fünfzehnjährige Erfahrung bei der Beratung von Beschäftigten, Führungskräften und Unternehmen zu allen Themen des individuellen Arbeitsrechts. Der Schwerpunkt von Herrn Rechtsanwalt Peters liegt ferner in der Beratung mittelständischer Unternehmen. Im Zusammenhang mit der jahrelangen Erfahrung aus diesen Fällen ist er Spezialist für komplexe Verfahrenssituationen und schwierige Verhandlungen.
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