Ihr Recht als Arbeitnehmer: Alle Informationen zum Sonderkündigungsrecht
Informieren Sie sich über die Hintergründe des Sonderkündigungsrechts für Arbeitnehmer. Erfahren Sie, wann Sie Ihre arbeitsvertragliche Beziehung außerhalb der Kündigungsfristen beenden können.
Im Rahmen des Sonderkündigungsrechtes haben Arbeitnehmer die Möglichkeit, ihre arbeitsvertragliche Beziehung ohne Beachtung von Kündigungsfristen und -terminen zu beenden. Denn auch der Arbeitgeber hat seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag zu beachten und zu erfüllen. Liegt eine grobe Verletzung vor, können Arbeitnehmer ihr Arbeitsverhältnis außerordentlich kündigen.
Wir möchten Sie über Ihre Rechte und Pflichten als Arbeitnehmer informieren, sodass Sie die Grundlagen nachvollziehen können und erste Entscheidungen möglich sind. Unsere Kanzlei ist auf arbeitsvertragliche Angelegenheiten spezialisiert und steht Ihnen jederzeit beratend zur Seite.
In diesem Artikel erwartet Sie ein erster Überblick, in welchen Situationen Sie vom Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen können, über die daraus resultierenden Rechtsfolgen und die notwendigen Formvorschriften.
Übersicht:
- Das Sonderkündigungsrecht - Begriffserklärung und Rechtsgrundlage
- Die Voraussetzungen - Fristen, Schriftform
- Anwendungsfälle für Arbeitnehmer
- Die Anwendung bei befristeten Arbeitsverträgen
- Das Wichtigste zum Schluss
- FAQ's
1. Das Sonderkündigungsrecht - Begriffserklärung und Rechtsgrundlage
Bevor wir tiefer in das Thema einsteigen, eine kurze Begriffsklärung:
Im allgemeinen Sprachgebrauch finden sich die Begriffe „fristlose Kündigung“ und „außerordentliche Kündigung“. Da beide oft gleichbedeutend verwendet werden, möchten wir die Begrifflichkeiten noch einmal erläutern. Es gibt folgenden wichtigen Unterschied:
Eine fristlose Kündigung ist immer eine außerordentliche Kündigung. Eine außerordentliche Kündigung ist jedoch nicht immer fristlos.
Eine fristlose Kündigung beendet, basierend auf einem schwerwiegenden Grund, den Arbeitsvertrag mit sofortiger Wirkung. Gründe für fristlose Kündigungen können beispielsweise gravierende Störungen im Leistungs- oder Vertrauensbereich sein.
Bei einer außerordentlichen Kündigung – auch Sonderkündigungsrecht genannt - wird das Vertragsverhältnis – welches nach tariflichen oder vertraglichen Regelungen nicht kündbar ist - fristlos oder mit verkürzter Frist gekündigt. Auch hier ist ein wichtiger Grund Kündigungsvoraussetzung.
Lassen Sie uns nun detailliert in Ihr Sonderkündigungsrecht als Arbeitnehmer einsteigen. Diesem einseitigen Gestaltungsrecht zur Kündigung eines Vertragsverhältnisses kann sowohl eine Klausel im Arbeitsvertrag, als auch allgemeingültige Regelungen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch zugrunde liegen. So ergibt sich das Sonderkündigungsrecht sowie die notwendigen Voraussetzungen aus §626 BGB.
Gemäß Absatz 1 kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Hierzu müssen jedoch Tatsachen vorliegen, aufgrund derer die Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist. Der Einzelfall und seine Umstände sind jeweils individuell zu betrachten. Anwendungsfälle für Ihr Sonderkündigungsrecht als Arbeitnehmer stellen wir Ihnen unter Punkt 3 „Anwendungsfälle für Arbeitnehmer“ vor.
2. Die Voraussetzungen - Fristen, Schriftform
Als Arbeitnehmer haben Sie innerhalb von zwei Wochen ab Bekanntwerden des Kündigungsgrundes bzw. der groben Verletzung der arbeitgeberseitigen Pflichten Zeit, Ihre Kündigung einzureichen.
Bitte beachten Sie, dass eine vorherige Abmahnung erforderlich sein kann, d.h., Sie müssen Ihrem Arbeitgeber die Chance zur Behebung des Kündigungsgrundes geben. Wenn Sie unsicher sind, ob Sie sofort Ihre Kündigung einreichen können oder diese Nachbesserungsfrist abwarten müssen, kontaktieren Sie uns bitte, da die Rechtsfolgen nicht unerheblich sind!
Wenn Sie Ihr Sonderkündigungsrecht nutzen möchten und Ihren Arbeitsvertrag kündigen wollen, müssen Sie Ihre Kündigung immer schriftlich bei Ihrem Arbeitgeber einreichen.
Auf entsprechendes Verlangen müssen Sie Ihrem Arbeitgeber den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen. Das Kündigungsschreiben enthält folgende weitere Formalia:
- Absender
- Adressat
- Betreff
- Bitte um schriftliche Kündigungsbestätigung
- Ausstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses
- Eigenhändige Unterschrift
Es ist weiterhin empfehlenswert, Ihre Vorstellungen zum Umgang mit Überstunden und Resturlaub bereits in das Kündigungsschreiben aufzunehmen.
Kontaktieren Sie unsere spezialisierten Anwälte im Arbeitsrecht gerne jederzeit für ein unverbindliches Erstgespräch. Sie erreichen uns per e mail unter info@kern-peters.de oder telefonisch unter 089 21 55 2286
3. Anwendungsfälle für Arbeitnehmer
Bevor Sie Ihr Sonderkündigungsrecht als Arbeitnehmer nutzen, versuchen Sie bitte, stichhaltige Beweise zu sammeln. Wie bereits angesprochen, muss Ihr Arbeitgeber auch die Möglichkeit zur Behebung der Missstände erhalten. Deshalb kann es in einigen Fällen notwendig sein, vorab eine Abmahnung auszusprechen.
Die von Ihnen gesammelten Belege sollten immer aussagekräftig und präzise sein. Sie müssen eindeutig belegen, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht möglich und zumutbar ist.
Bedenken Sie weiterhin:
Generell ist davon auszugehen, dass die Agentur für Arbeit eine bis zu 3-monatige Sperrfrist für den Bezug von Arbeitslosengeld verhängt, wenn Sie Ihr Arbeitsverhältnis selbst kündigen. Sie brauchen jedoch dann keine Sperrfrist zu befürchten, wenn die Fortführung des Arbeitsverhältnisses für Sie nicht mehr zumutbar ist und ein entsprechender Kündigungsgrund vorliegt. Diesen Grund müssen Sie immer nachweisbar belegen können. Können Sie das nicht, wird die Agentur für Arbeit Ihre Bezüge von Arbeitslosengeld temporär sperren.
Die Brisanz einer Kündigung, insbesondere dann, wenn Sie von Ihrem Sonderkündigungsrecht als Arbeitnehmer Gebrauch machen, ist also hoch.
Lassen Sie sich gerne von uns beraten!
Erfahren Sie nun, in welchen Fällen grober Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber ein Sonderkündigungsrecht begründet sein kann:
Ausbleibende oder verspätete Gehaltszahlung
Schuldet Ihr Arbeitgeber Ihnen den Lohn bzw. Teile des Lohnes, ist dies ein Grund vom Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen. In diesen Fällen gilt jedoch, dass der Arbeitgeber vorab aufgefordert werden muss, den Missstand zu beheben. Er muss abgemahnt werden.
Mehr zum Thema Arbeitgeber zahlt Lohn nicht lesen Sie in diesem Beitrag.
Fürsorgepflichtverletzung
Sollte ein wichtiges Arbeitsgerät nicht funktionieren und damit eine Gefahrenquelle für Sie als Arbeitnehmer darstellen, müssen Sie ebenfalls Ihren Arbeitgeber abmahnen und ihm die Möglichkeit zur Nachbesserung geben. Erst dann haben Sie das Recht einer außerordentlichen Kündigung.
Beleidigung oder Mobbing
Diese Kündigungsgründe sind schwierig und setzen die genaue Prüfung der Umstände des Einzelfalles voraus. Ging eine Streitsituation voraus, aus welcher die Äußerungen resultieren? Welcher Zeitraum liegt zugrunde? Wie ist der betriebliche und branchenübliche Umgangston zu bewerten? Ebenso können der Bildungsstand und der psychische Zustand der Beteiligten relevant sein. Die Grenze zwischen Beleidigung und betrieblicher Meinungsfreiheit ist oft unklar. Treffen Sie hier bitte keine voreiligen Schlüsse und lassen Sie sich beraten.
Diskriminierung und sexuelle Belästigung
Grundsätzlich gelten Verstöße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz als Sonderkündigungsgrund und damit als Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag.
§ 3 Abs. 4 definiert u.a. unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, das die Würde der betreffenden Person verletzt, insbesondere wenn es mit Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen oder Beleidigungen einhergeht als sexuelle Belästigung.
Dennoch müssen der Einzelfall und auch die Verhältnismäßigkeit geprüft werden.
Missachtung der Arbeitsschutzvorschriften
Ihr Arbeitgeber ist verpflichtet, die geltenden Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten. Tut er dies nicht, haben Sie ein Sonderkündigungsrecht. Zu den Arbeitsschutzvorschriften gehört auch die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes mit den Vorgaben zu Höchstarbeitszeiten. Ständige und erhebliche Überschreitungen stellen einen Kündigungsgrund dar.
Anweisen strafbarer Handlungen
In der Regel sollte es nicht passieren, dass Ihr Arbeitgeber von Ihnen strafbare Handlungen verlangt und doch sind vereinzelt die Übergänge zu Bilanzfälschung, Bestechung und Betrug fließend.
Berufsunfähigkeit des Arbeitnehmers
Bei Vorliegen einer teilweisen Erwerbsminderung, einer Erwerbsminderung auf Zeit, Erwerbsunfähigkeit auf Zeit oder Berufsunfähigkeit haben Sie als Arbeitnehmer die Möglichkeit, Gebrauch von Ihrem Sonderkündigungsrecht zu machen.
4. Die Anwendung bei befristeten Arbeitsverträgen
Sind Sie im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrages beschäftigt, ist ein Sonderkündigungsrecht nicht ausgeschlossen. Da der Vertrag jedoch mit Zeitablauf automatisch endet, gelten nicht nur die Voraussetzungen gem. § 626 BGB, sondern die vorliegenden Missstände müssen besonders intensiv geprüft werden, damit die außerordentliche Kündigung rechtsgültig ist.
5. Das Wichtigste zum Schluss
Der Gebrauch des Sonderkündigungsrechtes sollte immer Ihr letzter Ausweg sein. Davon abgesehen, dass die Rechtsfolgen nicht unerheblich sind, müssen Sie den kurzfristigen Austritt womöglich auch bei künftigen Arbeitgebern erläutern. Das soll kein Grund sein, eine nicht mehr tragbare Situation zu tolerieren, aber überlegen Sie sich für Ihre Bewerbungsgespräche, wie Sie gute Argumente finden, die die Balance zwischen Ehrlichkeit und Loyalität halten.
In vielen Fällen kann ein vorhergehendes Gespräch Probleme lösen. Mit diesem Versuch unterstreichen Sie auch Ihren Willen zur Verbesserung der Situation. Sie zeigen zudem, dass Sie den Weg der außerordentlichen Kündigung als letztes Mittel gewählt haben. So vorhanden, kontaktieren Sie den Betriebsrat, bitten Sie Kollegen um Hilfe oder lassen Sie eine professionelle Mediation durchführen. Durchdenken Sie auch Optionen, wie die Versetzung in ein anderes Team, einen Standortwechsel oder die Übernahme anderer Aufgaben.
Sollte es keine andere Möglichkeit geben und die genannten Potenziale ausgeschöpft sein, wenden Sie sich gern für eine Beratung an uns.
Die wichtigsten Inhalte in Kürze:
- Arbeitnehmer können ihr Arbeitsverhältnis bei groben Pflichtverletzungen ohne arbeitsvertragliche Kündigungsfristen beenden
- Rechtsgrundlage §626 BGB
- Erfordernis der Schriftform, Nachweise sind dringend empfohlen
- Anwendungsgebiete sind unter anderem Gehaltsverzug, Gesundheitsgefährdung, Diskriminierung
- Genauere Prüfung bei befristeten Arbeitsverträgen
- Priorisieren Sie Kommunikation – Sonderkündigungsrecht als letzter Ausweg
- Empfehlung: Rechtsberatung zum Einzelfall
6. FAQ's
Was ist das Sonderkündigungsrecht für Arbeitnehmer?
Das Sonderkündigungsrecht ermöglicht es Arbeitnehmern, ihren Arbeitsvertrag fristlos oder mit verkürzter Frist zu kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Die rechtliche Grundlage hierfür ist § 626 BGB.
In welchen Fällen kann ein Arbeitnehmer von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen?
Anwendungsfälle umfassen u.a. ausbleibende oder verspätete Gehaltszahlungen, Verletzungen der Fürsorgepflicht, Beleidigungen, Bedrohungen, Mobbing, Diskriminierung, sexuelle Belästigung, Missachtung der Arbeitsschutzvorschriften und Anweisungen zu strafbaren Handlungen.
Welche formalen Voraussetzungen müssen bei einer Sonderkündigung beachtet werden?
Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und der Kündigungsgrund muss unverzüglich schriftlich mitgeteilt werden. Es ist empfehlenswert, den Arbeitgeber vorab abzumahnen und ihm die Möglichkeit zur Nachbesserung zu geben.
Was muss bei der Anwendung des Sonderkündigungsrechts bei befristeten Arbeitsverträgen beachtet werden?
Auch bei befristeten Arbeitsverträgen kann das Sonderkündigungsrecht genutzt werden, wenn schwerwiegende Gründe vorliegen. Die Missstände müssen jedoch besonders intensiv geprüft werden, damit die Kündigung rechtsgültig ist.
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