Arbeitszeugnis: Wann sollte ich zum Anwalt gehen?
Eine neue Stelle zu finden, kann eine Herausforderung sein. Ein wichtiger Schlüssel zu Bewerbungsgesprächen bei zukünftigen Arbeitgebern ist in der Regel das Arbeitszeugnis aus dem alten Arbeitsverhältnis. Arbeitgeber schauen sich das Arbeitszeugnis meist sorgfältig an, um zu beurteilen, ob die Bewerber zum Unternehmen passen oder nicht.
Ein gutes Arbeitszeugnis von seinem ehemaligen Arbeitgeber zu erhalten, ist daher ausgesprochen wichtig. Umso schlimmer, wenn dieses fehlerhaft oder unvollständig ist oder die Bewertung nicht der Wahrheit entspricht.
Bei vielen Arbeitgebern gehen zudem Aufgaben wie die Erstellung eines individuellen Arbeitszeugnisses unter. Und das, obwohl Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Ausstellung eines ordnungsgemäßen Arbeitszeugnisses haben.
Arbeitnehmer müssen sich mit einer solchen Situation nicht zufriedengeben. Wir zeigen Ihnen, was Sie tun können, um ein faires und ordnungsgemäßes Arbeitszeugnis zu erhalten.
Übersicht:
- Wann erhalte ich ein Arbeitszeugnis?
- Was sollte im Arbeitszeugnis stehen?
- Wie schnell muss der Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis ausstellen?
- Was bedeuten die Formulierungen in meinem Arbeitszeugnis?
- Wann sollte ich mein Arbeitszeugnis rechtlich prüfen lassen?
- Fazit
- FAQ
1. Wann erhalte ich ein Arbeitszeugnis?
Jeder Arbeitnehmer hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch darauf, ein schriftliches Arbeitszeugnis ausgestellt zu bekommen. Es spielt dabei keine Rolle, ob Sie in Vollzeit, Teilzeit, als Werkstudent oder Minijobber, befristet oder unbefristet angestellt sind oder waren – den gesetzlichen Anspruch gibt es für alle Arbeitnehmer (§ 630 BGB, § 109 GewO). Auch Praktikanten können ein Arbeitszeugnis verlangen.
Je nach Art und Dauer der Beschäftigung und Zeitpunkt der Ausstellung gibt es dabei unterschiedliche Arbeitszeugnisse, auf die sich der Anspruch erstreckt:
- Einfaches Arbeitszeugnis: Bei besonders kurzen Arbeitsverhältnissen (zum Beispiel Praktika) wird meist ein einfaches Arbeitszeugnis ausgestellt. Dieses enthält keine Angaben zu Qualifikationen, sondern bestätigt lediglich die ausgeübte Tätigkeit im Betrieb.
- Qualifiziertes Arbeitszeugnis: Für die meisten Beschäftigungen besteht ein Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Darin wird neben der Tätigkeit auch die Leistung, die Qualifikationen und das Sozialverhalten bewertet. Es wird also nicht nur die tatsächliche Tätigkeit bestätigt, sondern auch die fachliche und persönliche Eignung und Entwicklung beschrieben.
- Zwischenzeugnis: Wie der Name schon sagt, wird ein Zwischenzeugnis während einer laufenden Beschäftigung ausgestellt. Dieses kann ebenfalls einfach oder qualifiziert sein und wird Arbeitnehmern zuteil, die beispielsweise in Elternzeit gehen, in eine Führungsposition oder eine andere Abteilung wechseln.
Ein Arbeitszeugnis wird also in der Regel dann ausgestellt, wenn das Arbeitsverhältnis endet, also von einer Seite (etwa durch Kündigung) aufgelöst wird oder von allein aus läuft.
Anders ist es nur bei dem Zwischenzeugnis: Hier hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis trotz Weiterbeschäftigung, wenn dazu ein berechtigtes Interesse vorliegt. Solche Fälle gibt es meist vor einer Elternzeit, bei einem Positionswechsel, einem Betriebsübergang oder wenn ein neuer Vorgesetzter übernimmt.
2. Was sollte im Arbeitszeugnis stehen?
Bei der Erstellung des Arbeitszeugnisses ist eine verständliche Formulierung zwingend vorgeschrieben. Das einfache Arbeitszeugnis muss dabei folgende Angaben enthalten:
- Angaben zum Arbeitnehmer
- Angaben zum Arbeitgeber bzw. dem Unternehmen
- Angaben zu Art des Beschäftigungsverhältnisses und dessen Dauer
- Angaben zur Tätigkeit
- Grund für das Beschäftigungsende (nur mit Einverständnis des Arbeitnehmers)
- Ort, Datum und Unterschrift des Arbeitgebers
Arbeitnehmer sollten darauf achten, dass sie ein schriftliches Zeugnis im Original erhalten, es muss sich also um ein Zeugnis in Papierform handeln. Eine Kopie, die elektronisch versandt wird, zum Beispiel per E-Mail oder Fax, ist nicht erlaubt. Auch die Unterschrift muss im Original vorliegen.
In einem qualifizierten Arbeitszeugnis finden sich darüber hinaus noch Angaben zu den Kernkompetenzen, den Leistungen und Qualifikationen des Arbeitnehmers. An diesem Punkt entstehen die meisten Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, denn hier erfolgt eine Bewertung.
Die Bewertung bezieht sich im Arbeitszeugnis auf folgende Punkte:
- Arbeitserfolge
- Arbeitsweise
- Arbeitsbereitschaft
- Arbeitsbefähigungen
- Führungsfähigkeit (bei leitenden Angestellten)
- Fachkenntnisse
- Gesamtbeurteilung
Daneben findet sich im Arbeitszeugnis häufig eine Beurteilung darüber, wie sich der Arbeitnehmer gegenüber anderen Menschen verhalten hat (sogenanntes Sozialverhalten). Dazu zählen insbesondere die Kollegen, die Vorgesetzten oder Mitarbeiter, aber auch Menschen außerhalb des Betriebs wie Kunden, Patienten, Gäste oder auch Geschäftspartner oder Lieferanten.
Achtung:
Was den Arbeitnehmern nicht sofort auffällt, wird Personalabteilungen dennoch ins Auge fallen. Es ist zum Beispiel üblich, dass im Arbeitszeugnis erst auf das Verhalten gegenüber Vorgesetzten, dann gegenüber Mitarbeitern (Kollegen) und anschließend gegenüber Kunden eingegangen wird. Wird diese Reihenfolge nicht eingehalten, kann dies ein Indiz dafür sein, dass der Arbeitgeber hier etwas zu bemängeln hat und dieses zwischen den Zeilen mitteilen möchte.
3. Wie schnell muss der Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis ausstellen?
Obwohl Arbeitnehmer einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis haben, bedeutet das nicht, dass Arbeitgeber dieses nach einer Kündigung unaufgefordert auszustellen haben. Im Gegenteil: Arbeitnehmer müssen ihren Anspruch aktiv geltend machen und das Arbeitszeugnis bei dem Arbeitgeber beantragen.
Ein Antrag sollte immer schriftlich erfolgen, damit der Arbeitnehmer später beweisen kann, dass er das Arbeitszeugnis tatsächlich fristgerecht beantragt hat. Nur dann muss der Arbeitgeber auch ein Arbeitszeugnis ausstellen.
Arbeitnehmer haben zudem nicht ewig Zeit, rückwirkend ein Arbeitszeugnis beantragen: Der Anspruch verjährt 3 Jahre nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Die Frist beginnt aber erst am Ende des Jahres zu laufen, indem das Arbeitsverhältnis endet.
Beispiel: Wer am 31.01.2022 ordentlich kündigt, kann den Anspruch auf ein Arbeitszeugnis bis zum 31.12.2025 gerichtlich geltend machen. Es kommt also auf das Kalenderjahr an, in dem gekündigt wurde - und nicht auf den exakten Tag der Kündigung.
Der Anspruch kann jedoch auch schon vorher verjähren, wenn sich eine entsprechende Regelung im Arbeits- oder Tarifvertrag findet. Arbeitnehmer sollten dies stets prüfen oder anwaltlich prüfen lassen.
Mehr zum Thema Kündigung erhalten was tun? lesen Sie in diesem Beitrag.
4. Was bedeuten die Formulierungen in meinem Arbeitszeugnis?
Laut dem Bundesarbeitsgericht (BAG) muss ein qualifiziertes Arbeitszeugnis wahr, vollständig und wohlwollend sein. Letzteres führt nicht selten dazu, dass Arbeitgeber in Arbeitszeugnissen sehr freundlich und positiv formulieren, auch wenn die Bewertung etwas anderes verspricht.
Für Arbeitnehmer ist daher ein "schlechtes" Zeugnis nicht sofort von einem guten Zeugnis zu unterscheiden. Es haben sich einige Formulierungen etabliert, die anders gemeint sind, als sie zunächst klingen mögen.
Personalabteilungen sind geschult zu erkennen, welche Formulierungen im Zeugnis "schlechte" Bewertungen darstellen. Arbeitnehmer können die folgende Liste nutzen, um sich einen groben Eindruck zu verschaffen. Im Zweifel sollten Sie sich jedoch an einen Anwalt für Arbeitsrecht wenden.
Das bedeuten die Formulierungen im Arbeitszeugnis:
Sehr gute Leistung | "stets zu unserer vollsten Zufriedenheit" "immer im höchsten Maße zuverlässig" "stets mit äußerster Sorgfalt" |
Gute Leistung | "stets zu unserer vollen Zufriedenheit" "immer sehr zuverlässig" "stets mit Sorgfalt" |
Befriedigende Leistung | "stets zu unserer Zufriedenheit" "immer zuverlässig" "sorgfältig und zufriedenstellend" |
Ausreichende Leistung | "zu unserer Zufriedenheit" "zeigte sich zuverlässig" "war motiviert" |
Mangelhafte Leistung | "insgesamt zu unserer Zufriedenheit" |
5. Wann sollte ich mein Arbeitszeugnis rechtlich prüfen lassen?
Grundsätzlich sollten Arbeitnehmer ihr Arbeitszeugnis immer zunächst selbst sorgfältig prüfen. Überprüfen Sie, ob Ihre Angaben korrekt sind und ob die Tätigkeitsbeschreibung mit der Realität übereinstimmt. Anhaltspunkte kann die Stellenbeschreibung liefern, aber Sie wissen am besten, was Ihre Haupttätigkeiten waren.
Meist liegen die Streitigkeiten nicht in den allgemeinen Angaben im Arbeitszeugnis, sondern in der Bewertung der Qualifikation und Leistung des Arbeitnehmers. Wenn Sie mit dem Arbeitszeugnis unzufrieden sind und eine bessere Bewertung erwarten, können Sie dies bei Ihrem Arbeitgeber bemängeln. Die Frage ist jedoch, wie erfolgversprechend dies ist.
Gleichzeitig ist es häufig schwierig zu beweisen, wie die eigenen Leistungen tatsächlich waren. Um hier bessere Chancen auf eine Änderung des Arbeitszeugnisses zu haben, kann es ratsam sein, das Arbeitszeugnis anwaltlich prüfen zu lassen und im Zweifel rechtlich dagegen vorzugehen. Allein ein anwaltliches Schreiben bewirkt manchmal wahre Wunder. Auch wenn der Arbeitgeber kein Arbeitszeugnis ausstellt oder dieses verschleppt, kann ein Rechtsanwalt mit Spezialisierung auf das Arbeitsrecht Abhilfe schaffen.
Unterschätzen Sie nicht, dass ein Arbeitszeugnis entscheidend für zukünftige Bewerbungen und Karrierechancen ist. Ein befriedigendes, ausreichendes oder gar mangelhaftes Arbeitszeugnis kann äußerst abschreckend auf zukünftige Arbeitgeber wirken und so die Chancen auf den Traumjob zumindest schmälern. Um dies zu verhindern, kann sich der Weg zum Anwalt definitiv lohnen.
Kontaktieren Sie unsere spezialisierten Anwälte im Arbeitsrecht gerne jederzeit für ein unverbindliches Erstgespräch. Gemeinsam finden wir eine Lösung für Ihr Problem und stehen Ihnen im Streit mit Ihrem ehemaligen Arbeitgeber zur Seite. Sie erreichen uns unter info@kern-peters.de oder 089 21 55 2286
6. Fazit
- Jeder Arbeitnehmer hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein Arbeitszeugnis.
- Unterschieden wird zwischen einem einfachen Arbeitszeugnis bei besonders kurzen Arbeitsverhältnissen, einem qualifizierten Arbeitszeugnis, welches zusätzlich zur Beschreibung der Tätigkeit auch Leistung, Qualifikation und Sozialverhalten bewertet und einem Zwischenzeugnis, das während einer laufenden Beschäftigung ausgestellt werden kann.
- Ein Arbeitszeugnis muss wahr, vollständig und wohlwollend formuliert sein.
- Der Arbeitgeber muss das Zeugnis auf Verlangen des Arbeitnehmers ausstellen; der Anspruch verjährt nach 3 Jahren.
- Formulierungen im Arbeitszeugnis können versteckte Botschaften enthalten, die eine rechtliche Prüfung durch einen Anwalt für Arbeitsrecht sinnvoll machen.
7. FAQ
Wann habe ich Anspruch auf ein Arbeitszeugnis?
Jeder Arbeitnehmer hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch darauf, ein schriftliches Arbeitszeugnis ausgestellt zu bekommen. Es spielt dabei keine Rolle, ob Sie in Vollzeit, Teilzeit, als Werkstudent oder Minijobber, befristet oder unbefristet angestellt sind oder waren – den gesetzlichen Anspruch gibt es für alle Arbeitnehmer, auch für Praktikanten.
Was ist der Unterschied zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Arbeitszeugnis?
Ein einfaches Zeugnis bestätigt lediglich die ausgeübte Tätigkeit im Betrieb, während ein qualifiziertes Zeugnis auch die Leistung, die Qualifikation, das Sozialverhalten, sowie die persönliche Eignung und Entwicklung bewertet.
Was kann ich tun, wenn ich mit meinem Arbeitszeugnis unzufrieden bin?
Es kann sinnvoll sein, das Arbeitszeugnis rechtlich prüfen zu lassen und Änderungen beim Arbeitgeber einzufordern. Ist Ihr Arbeitgeber nicht bereit Änderungen vorzunehmen, können Sie mit Hilfe eines Anwalts für Arbeitsrecht rechtliche Schritte einleiten.
Wie schnell muss mein Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis ausstellen?
Auf Anfrage und innerhalb einer angemessenen Frist, da der Anspruch nach 3 Jahren verjährt.
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